Wie oft sitzt du an einem Tisch mit Menschen, die Fleisch oder andere tierliche „Lebensmittel“ essen? Bei mir kommt das (zum Glück) fast nur noch bei der Arbeit vor. Wahrscheinlich ärgert es mich deshalb umso mehr, wenn die Kollegen nach zahlreichen Gesprächen offenbar immer noch nicht verstanden haben und fröhlich – und manchmal auch provokativ –  in ihr Steak beißen. Zuletzt hat mich das vor allem wütend gemacht, sodass ich mich mehr und mehr mit dem Gedanken befasst habe, nicht mehr mit ihnen zusammen zu essen und vielleicht sogar Teil der „Liberation Pledge“-Bewegung zu werden.

Was ist die „Liberation Pledge“-Bewegung?

„Liberation Pledge“ bedeutet übersetzt in etwa „Befreiungsversprechen“. Menschen, die sich mit dieser Bewegung identifizieren, leben nicht nur vegan, sondern sitzen in der Öffentlichkeit nicht an einem Tisch, an dem tierliches konsumiert wird. Das Symbol dieser Bewegung ist eine gebogene Gabel, die ums Handgelenk getragen wird. Ziel der „Liberation Pledge“-Aktivisten ist es, darüber aufzuklären, wie sie sich fühlen, wenn andere in ihrer Anwesenheit Tiere essen.

Dem hat sich auch Toni di Pianduni verschrieben. „Zum einen ist es ein Zeichen der Verbundenheit mit den Menschen, die die veganen und antispeziesistischen Werte leben. Zum anderen ist ist oftmals ein Diskussionseröffner, insbesondere im Sommer, wenn die Gabel am Handgelenk für die meisten sichtbar ist“, sagt der Tierrechts-Aktivist. Seit Anfang 2018 engagiert sich Toni immer stärker in der veganen Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung und erlebt so die Ausbeutung der Tiere beispielsweise bei Schlachthofmahnwachen hautnah mit. „Deshalb erschien es mir immer selbstverständlicher, nicht mehr an einem Tisch zu sitzen, wo tierliche Produkte konsumiert werden und das auch physisch anhand der Gabel sichtbar zu machen.“

Vor- und Nachteile

Es sei nicht weniger als eine Revolution, weil wir bereits mehrere tausend Jahre lang Tiere halten und uns von ihnen ernähren, sagen „That Vegan Couple“ in einem Beitrag zum Thema „Liberation Pledge“. Aber wie effektiv ist es wirklich, wenn man beim Essen den Kontakt mit Omnivoren meidet? Dafür spricht, dass es sich um eine direkte, nicht gewaltsame Form des Aktivismus handelt. Seinen Mitmenschen kann man auf diesem Weg das Thema Speziesismus näher bringen: Würdest Du mit am Tisch sitzen, wenn andere Hund essen? Wenn die Antwort Nein lautet, warum dann also, wenn es sich um Rind oder Fisch handelt?! Dagegen spricht, dass unsere Gesellschaft nun einmal indoktriniert ist, das Tiere essen okay ist, wenn es sich um Nutztiere handelt.

Toni hat sich seine Gabel selbst gebogen. Eine Goldschmiedin hat „Animal Liberation“ und auf den Gabelstiel „Until every cage is empty“ (übersetzt: „bis jeder Käfig leer ist“) gestempelt.
Foto: Toni di Pianduni

Für viele Veganer und vegane Aktivisten ist das Tragen der Gabel jedoch unangenehm, weil es extrem und radikal erscheint. Man verliert außerdem die Möglichkeit, mit anderen über das Thema Veganismus zu sprechen, denn das passiert oft am Esstisch: Oftmals wird man gefragt, was man da isst und warum man sich vegan ernährt. Toni sieht das anders: „Die Erfahrung bei mir und vielen weiteren Menschen hat gezeigt, dass noch nicht vegan lebende Menschen gerade in Essenssituationen am wenigsten empfänglich für Unterhaltungen und Diskussionen zu diesem Thema sind.“ Er selbst habe bisher weder besonders positive, noch besonders negative Erfahrungen gemacht. Zur Arbeit bringt sich Toni sein Essen ohnehin meist selbst mit und geht später in die Kantine, als die Kollegen. Bei einem Teammeeting durfte er aber zuletzt das Restaurant aussuchen und wählte das zu 100 Prozent vegane „Zeil Kitchen“ in Frankfurt. „Das Ergebnis war natürlich wie so oft, dass es allen hervorragend geschmeckt hat.“

Anliegen der „Liberation Pledge“-Bewegung ist es nicht, dass sich Aktivisten einfach nur von Events ausschließen, an denen es tierliche Produkte gibt. Denn Ziel der Bewegung ist es, dass immer mehr Menschen mitmachen. Deswegen sollten Gabel-Träger anderen Menschen erklären, warum man nicht teilnimmt und Veganer ermutigen, auch Teil der Bewegung zu werden. „Ich kann es nur jedem ans Herz legen, die Pledge zu machen. Es geht nicht um Separierung und Isolation, sondern um Diskussionsanregung. Wir müssen den Menschen verdeutlichen, dass normalisierte Gewalt nicht länger hinnehmbar ist und es sehr einfach ist, Alternativen zu finden“, sagt Toni. Wer das genauso sieht und sich der Bewegung anschließen möchte, bekommt im folgenden ein paar Anregungen, wie man vorgehen kann.

Tipps

  • Am besten so früh wie möglich darüber sprechen, dass du nicht mitessen wirst
  • Die eigene Geschichte erzählen: warum du vegan und Aktivist geworden bist. Sagen, was es für dich schwer macht, an diesem Essen teilzunehmen (z.B. Bilder, die du gesehen hast, und die beim Anblick des Fleisches wieder hochkommen)
  • darauf fokussieren, dass dir dein Gegenüber nicht egal ist und es dir deshalb wichtig ist, dass er/sie versteht, warum du das tust, das du dich trotzdem freust, mit ihm/ihr zusammen zu sein, aber lieber dann, wenn sich kein tierliches Essen auf dem Tisch befindet
  • Nicht zu viel erzählen, stattdessen lieber Fragen stellen, die eine Diskussion anregen
  • Nach Möglichkeit vorschlagen, nach dem (separaten) Essen gemeinsam einen Kaffee (mit mitgebrachter Pflanzenmilch) trinken zu gehen
  • Darauf vorbereitet sein, dass andere mit Unverständnis reagieren und dein Verhalten für respektlos halten
  • Tausche deine Erfahrungen mit anderen aus: Dazu gibt es beispielsweise eine Facebook-Gruppe

Was ich aus meinen Recherchen gelernt habe? Wut ist definitiv der falsche Antrieb, um Teil dieser Bewegung zu werden. Ganz im Gegenteil: Dazu müsste ich etwas gelassener sein.

Bist Du Teil der „Liberation Pledge“-Bewegung oder möchtest es werden? Dann teile deine Erfahrungen und Überlegungen mit uns in den Kommentaren!

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