Europawahl

Europawahl: Diese 6 Kleinparteien sind für Veganer interessant

Die Europawahl 2019 ist die Chance für Kleinparteien, in Brüssel mitzumischen. Denn anders als bei Bundestags- oder Landtagswahlen gibt es bei der Europawahl in Deutschland derzeit keine Sperrklausel. So haben es 2014 insgesamt sieben Abgeordnete von kleinen Parteien geschafft, einen von 96 deutschen Sitzen im Europaparlament zu besetzen. Bei der Europawahl 2024 werden sich die Spielregeln allerdings wohl wieder ändern. Im Februar dieses Jahres hatten die EU-Staaten beschlossen, wieder eine verpflichtende Sperrklausel einzuführen – zumindest für größere EU-Staaten.

Aufgrund von Interessenskonflikten – oder deutlicher gesagt: Lobbyismus – trauen sich nur kleinere Parteien, klar Stellung zu beziehen und die Abschaffung von Tierversuchen, der Massentierhaltung oder gar die Umstellung auf eine bio-vegane Landwirtschaft zu fordern. Doch was wollen die einzelnen Parteien erreichen und wie unterscheiden sie sich? Ein Überblick zum Programm ausgewählter Kleinparteien, die sich explizit für Tiere stark machen.

Die Mutter aller Tierschutzparteien …

 Die Tierschutzpartei ist nach eigenen Angaben die weltweit erste Partei, die sich explizit dem Thema Tierschutz zugewendet hat. Sie befürwortet die Abschaffung der Massentierhaltung und setzt sich als Übergangslösung für die Bewirtschaftung mit ökologischer und „artgerechter” Tierhaltung unter strengen Kontrollen ein. Langfristiges Ziel ist aber laut Parteiprogramm der bio-vegane Landbau. Das bestätigt auch Aída Spiegeler Castañeda, die im vergangenen Jahr die Mannheimer Regionalgruppe der Partei gegründet hat: „Um für die Zukunft eine Grundlage zu schaffen benötigen wir neben dem Tierschutz auch Tierrechte.“ Tierschutz und Veganismus gehören für die 24-Jährige in der heutigen Gesellschaft zusammen, denn „es ist einfach nicht möglich, tierische Produkte auf den Markt zu bringen, ohne den Tieren zu schaden“ (hier geht es zum Interview mit Aída).

  • Bei der vergangenen Europawahl konnte die Tierschutzpartei ein Mandat erringen.

… und ihre Ableger

Der jüngste Ableger der Tierschutzpartei ist Tierschutz Hier!. Die Partei fordert einen besonderen Schutzstatus für Tiere. In ihrem Europawahlprogramm fordert die Partei unter anderem ein Verbot für das Kürzen von Hühnerschnäbeln, das Kastrieren von Ferkeln ohne Betäubung oder abgeschnittene Ringelschwänze bei Schweinen. Massentierhaltung soll generell beendet und stattdessen soll artgerechte Tierhaltung subventioniert werden. Darüber hinaus setzt sich die Partei unter anderem für europaweite Volksentscheide ein.

  • Da Tierschutz Hier! erst 2017 gegründet wurde, nimmt sie das erste Mal an der Europawahl teil.

Die Tierschutzallianz spaltete sich 2013 von der Tierschutzpartei ab und fordert effektiven Schutz von Tieren und Umwelt. Unter anderem sind sie für ein Verbot von Tierversuchen und der Haltung von Wildtieren in Zirkussen und lehnen die Massentierhaltung ab. Das Europawahlprogramm „15 Visionen für Europa“ umfasst vor allem die Themen Tierschutz und Ökologie. Die Tierschutzallianz setzt sich außerdem für ein gentechnikfreies Europa ein.

  • Die Tierschutzallianz tritt zum ersten Mal bei der Europawahl an.

Die Partei für die Tiere versteht sich als Ein-Themen-Partei und fordert gesetzlich garantierte Grundrechte für Tiere, angelehnt an die Menschenrechte. Für Bewusstsein reflektierende Lebewesen sollen Persönlichkeitsrechte gelten. Unter anderem soll auch die Mehrwertsteuer auf vegane Lebensmittel abgeschafft werden. Die 2015 gegründete Partei besteht ebenfalls aus ehemaligen Mitgliedern der Tierschutzpartei.

  • Die Partei für die Tiere tritt zum ersten Mal bei der Europawahl an.

Für Artenvielfalt, gegen Abtreibung

Mit dem erfolgreichen Volksbegehren „Rettet die Bienen“ hat die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) in Bayern zuletzt auf sich aufmerksam gemacht. Am wichtigsten ist der ÖDP der Erhalt der Lebensgrundlagen wie sauberes Wasser, fruchtbarer Boden, intaktes Klima und Artenvielfalt. Darüber hinaus fordert sie in ihrem Programm aber auch die Aufnahme von Tierrechten in die EU-Verträge und ein Verbot von quälerischer Tierhaltung und schlägt eine Begrenzung der Tierhaltung durch Bindung an hofnahe Fläche vor, konkret maximal zwei Großvieheinheiten pro Hektar.  Die Partei fordert unter anderem auch ein ausreichendes Grundeinkommen für Personen ohne eigenes Einkommen. Aber auch Lebensbejahende Strategien zur Senkung der europaweit hohen Abtreibungszahlen.

  • Seit der Europawahl 2014 ist die ÖDP mit einem Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten.

Die Satire-Partei

Die Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative, kurz: DIE PARTEI, klingt vom Namen her mit Hinblick auf das Wort „Tierschutz“ erstmal nicht schlecht. Doch Vorsicht! DIE PARTEI nimmt sich selbst nicht ernst – und will auch gar nicht unbedingt ernst genommen werden. Ihr Mitbegründer und Parteivorsitzender, der Satiriker Martin Sonneborn, hat es sich in den nun hinter ihm liegenden fünf Jahren als Europaabgeordneter zur Aufgabe gemacht, den Finger in die Wunde der EU-Politik zu legen. Heißt: Wenn jemand unangenehme Reden im Parlament hält, dann Sonneborn. So forderte er Irland beispielsweise auf, aus der EU auszutreten, weil das Land keine Steuern von Apple verlangt. Im Parteiprogramm unter Punkt sechs steht allerdings etwas, dass nicht jedem Veganer schmecken dürfte – selbst bei einer Satirepartei nicht: „Tierversuche werden eingestellt, Tiere sind zum Niedlichfinden und Aufessen da. Lipgloss, Arsch-Make-up, Biomarmelade und Medikamentencocktails werden ab sofort an Spitzensportlern getestet, die sind allerhand Substanzen gewöhnt. Oder in Bibis Beauty Palace. Bierversuche bleiben frei.“ Dennoch: Sonneborn reagiert auf die Zuschriften von Wählern und recherchiert oft zu Themen, die ihm vorgeschlagen werden. Bei Themen wie dem Abschneiden von Schwänzen oder dem Kürzen von Schnäbeln wäre es für Sonneborn sicher ein Leichtes, durch Vergleiche mit Parlamentarier-Kollegen den Finger – in bekannter Manier – in die Wunde zu legen.

  • DIE PARTEI ist seit 2014 mit einem Sitz im Europaparlament vertreten.

Einen Überblick über diese und weitere Kleinparteien findest Du hier.

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„Wir benötigen Tierrechte“

Wer sich ehrlich politisch engagiert, hat Missstände in der Gesellschaft erkannt, die behoben werden müssen. Aída Spiegeler Castañeda (Foto: Sonya Martin) ist eine von ihnen. Die 24-Jährige kandidiert in Mannheim bei der Kommunalwahl für die Tierschutzpartei. Darüber hinaus verkörpert die Jura-Studentin ihre politischen Ideale: Sie lebt nicht nur vegan, sondern geht auch für die Rechte von Tieren auf die Straße. Im Interview spricht Aída über die Europawahl und darüber, was Kleinparteien bewegen können.

Alle Macht den Großen: Was glaubst Du, kann eine Kleinpartei politisch bewegen?

Viele Themen werden von den Großen Parteien nicht thematisiert, da diese um ihre Wähler fürchten. Diese Bedenken blockieren uns nicht. Wir haben die Aufgabe, die Menschen auch über Problematiken zu informieren, die von den anderen totgeschwiegen werden. Zudem geben wir den Wählern die Möglichkeit der Regierung zu zeigen, dass ihnen diese Themen nicht gleichgültig sind.

Die Tierschutzpartei ist die weltweit erste ihrer Art gewesen. Inzwischen gibt es in Deutschland einige weitere Parteien, deren Kernthema der Tierschutz ist. Wie bewertest Du diese Entwicklung?

Ich denke, diese Entwicklung hängt stark von der zunehmenden Aufmerksamkeit zu Themen wie der Klimaentwicklung und dem starken Fleischkonsum zusammen.

Gibt es einen Austausch mit Parteien wie der „V-Partei³“, „Tierschutz Hier“, „Tierschutzallianz“ und „Partei für die Tiere“  und wenn ja, in welcher Form?

Die Parteien „Tierschutz Hier“, die „Tierschutzallianz“ und die „Partei für die Tiere“ bestehen derzeit jeweils nur aus ein paar Dutzend Menschen, die sich leider wegen persönlicher Differenzen von der Tierschutzpartei abgespalten haben. Diese drei Parteien wollen aus diesen Gründen leider keinen Austausch mit uns.
Mit der „V-Partei³“ ist jedoch ein konstruktiver Austausch möglich, der sich auch beispielsweise daran zeigt, dass sie zur Wahl des Europäischen Parlaments eine Wahlempfehlung für uns ausgesprochen haben.

Du bist gerade einmal 24 Jahre alt, studierst noch und kandidierst für die Tierschutzpartei bei den Kommunalwahlen in Mannheim. Wie gut lässt sich dein politisches Engagement mit Studium und Freizeit vereinbaren?

Aida Spiegeler Castañeda engagiert sich nicht nur in der Politik, sondern auch als Aktivistin für Tiere, unter anderem bei Animal Equality.

Die Entscheidung, politisch aktiv zu werden war für mich eine durchaus weitreichende Entscheidung. Ich für meinen Teil sehe meine Zukunft darin, mich für die einzusetzen und die zu beschützen, die es selbst nicht können. Und das ist auch eigentlich nie anders gewesen. Somit führt alles in die gleiche Richtung. Um gute politische Arbeit leisten zu können, muss ich mich in der Wirtschaft, in der Innen- und Außenpolitik, mit unserem Rechtssystem und unserem Sozialstaat auskennen. Dafür studiere ich.

Wie hoch schätzt Du selbst Deine Chancen bei den Wahlen ein?

Das ist wirklich schwer einzuschätzen. Da wir in Mannheim zum ersten Mal bei den Kommunalwahlen antreten, stehen uns keine Erfahrungswerte zur Verfügung. Jedoch waren bei der letzten Gemeinderatswahl bereits 1,1% ausreichend, um einen Sitz zu bekommen. Aus diesem Grund denke ich, dass wir durchaus die Chance auf ein Mandat haben. Da Herr Parmentier auf Listenplatz 1 kandidiert, hoffe ich auf ein Mandat für ihn.

Bei der Europawahl steht Ihr ebenfalls auf dem Wahlzettel. Was muss sich in Europa am dringlichsten in Sachen Tierschutz ändern?

Die dringlichste Aufgabe sehe ich in der Ahndung von Missachtungen unserer bereits vorhandenen Tierschutzgesetze. Doch auch diese sind bei weitem nicht ausreichend. Wir benötigen unter anderem ein Verbot von Käfig-, Kasten-, und Anbindehaltung, von betäubungslosen Kastrationen und dem Schreddern von Küken.

Ist Tierschutz eine Forderung, die im 21. Jahrhundert Deiner Meinung nach noch weit genug geht?

Um für die Zukunft eine Grundlage zu schaffen benötigen wir neben dem Tierschutz auch Tierrechte.

In eurem Parteiprogramm steht unter anderem, dass ihr euch für eine bio-vegane Landwirtschaft einsetzen wollt. Wie glaubst Du, kann man Landwirte, die von der Fleisch-, Milch- oder Eierproduktion leben, von einem Wechsel dorthin überzeugen?

Volkswirtschaftlich gesehen ist diese Produktion ohnehin nicht rentabel. Denn es müssen unter anderem gleichzeitig Unmengen an Pflanzen angebaut und von den Landwirten bezogen werden, um all die Tiere ernähren zu können. Die Landwirte können dementsprechend nur wegen der staatlichen Subventionen davon leben. Mit der Umverteilung der staatlichen Subventionen können die Landwirte bei der Ausweitung ihres pflanzlichen Anbaus und auch der Umstellung auf die bio-vegane Landwirtschaft unterstützt werden.

Politisches Interesse oder Tierschutzgedanke – was war als erstes da?

So genau lässt sich das zeitlich gar nicht trennen. Vermutlich war es wohl der Tierschutzgedanke, da ich noch nie verstanden habe, wie es sein kann, dass eine Gesellschaft wie die unsere so gefühlslos mit Tieren umgehen kann. Ebenso war auch das Interesse nach dem Wieso, Weshalb, Warum hinter allem da, und der Wunsch mich einzubringen.

Tierschutz und Veganismus – gehört das für Dich unweigerlich zusammen?

Grundsätzlich würde ich sagen, ließe sich auch über eine vegetarische Lebensweise reden. In unserer heutigen Gesellschaft aber definitiv. Denn es ist einfach nicht möglich, tierische Produkte auf den Markt zu bringen, ohne den Tieren zu schaden.

Lebst du selbst vegan und wenn ja, aus welchen Gründen?

Ja, ich lebe vegan. Zum einen ist mir eine gesunde und ausgewogene Ernährung schon seit vielen Jahren sehr wichtig. Zum anderen möchte und kann ich die Industrie tierischer Produkte nicht unterstützen. Das Leben der Tiere besteht hier nur noch aus Leid. Nicht außer Acht zu lassen ist auch der klimapolitische Hintergrund unseres Konsumverhaltens. Besonders die hauptsächlich aus der Viehzucht und stickstoffhaltigen Düngemittel stammenden Treibhausgase Methan und Lachgas haben einen weitaus größeren und schädlicheren Einfluss als CO2.

Ist es Dein Ziel, irgendwann Vollzeit Politik zu betreiben?

Ja, das ist es tatsächlich. Ich studiere aus Überzeugung Jura, da ich an unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat glaube. Und ich möchte mich auch in Zukunft für den Erhalt, die Fortentwicklung und die Verbesserung unserer Strukturen einsetzen.

Wie lange glaubst Du, wird die Massentierhaltung noch geben?

Ich denke, dass es möglich ist, die Massentierhaltung in Deutschland innerhalb von 20 Jahren zu beenden. Dies soll aber keinen Richtwert darstellen. Es liegt an jedem einzelnen von uns, diese Entwicklung zu beschleunigen.

  • Einen Überblick über weitere Kleinparteien, die sich mit den Themen Tierschutz, Tierrechte und Umweltschutz beschäftigen, gibt es hier!
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