Gastronomie

„Wir arbeiten an einem veganen Fastfood-Konzept“

Bevor er vegan wurde, hatte Nir Rosenfeld 22 Freunde auf Facebook. Heute sind es fast 5000. Dazu kommt seine Aktivisten-Seite. Die neue Lebensweise hat den aus Israel stammenden Vater von drei Kindern verändert. Er ist lauter geworden: Der Frankfurter Gastronom hat nicht nur Anfang 2019 sein Restaurant „Zeil Kitchen“ komplett veganisiert und vier Monate später mit dem „Kuli Alma“ ein zweites eröffnet. Nir Rosenfeld setzt sich auch privat für die Tiere ein, ist bei „Anonymous for the Voiceless“ sowie bei Organisationen in Israel aktiv. Im Interview spricht er über seinen Aktivismus in Israel, wie man ein veganes Restaurant aufzieht und welche Pläne er für 2020 verfolgt.


Du bist nicht nur in Deutschland, sondern auch in Israel als Aktivist bekannt. Dort sind Gesellschaft und Politik schon weiter. Warum ist das so?

In Israel gab es bis vor fünf oder sechs Jahren vielleicht 0,5 Prozent Veganer. Tal Gilboa hat das geändert. Sie hat damals auf der Autofahrt eine weinende Kuh gesehen und den Bauern gefragt, warum sie weint. Er antwortete, dass die Kuh gerade von ihrem Kalb getrennt wurde, aber es sei ja nur eine Kuh. Sie antwortete ihm, dass eine Mama eine Mama sei. Damals hat sich ihre ganze Welt geändert, sie wurde sofort vegan. Sie hat etwas, das viele nicht haben: Sie ist sehr intelligent und sie hat vor nichts Angst. Sie war sehr laut, positiv laut. Sie stand mit einem Megafon vor einem Milchbetrieb, ist in Schlachthäuser gegangen, wurde bestimmt 15 Mal verhaftet. Danach wurde sie aber immer ins Fernsehen eingeladen. Als ich noch Fleisch gegessen habe, habe ich das auch einmal gesehn. Sie hatte davor Leichenteile von Tieren vom Schlachthof gesammelt und in mehrere Brunnen in Israel gelegt. Am israelischen Unabhängigkeitstag grillen viele Menschen in Parks. Auch dort hat sie Rinderköpfe und Putenfüße hingelegt. Das ganze Land war sauer auf sie. Dann wurde sie ins „Big Brother“-Haus eingeladen. Zu dieser Zeit herrschte Krieg in Israel. Damals ging es im Fernsehen auf allen Sendern nur um Kriegsberichterstattung. Ein einziger Kanal hat etwas anderes gezeigt. Deshalb hat fast ganz Israel diese Show gesehen. Sie war drei Monate in der Sendung, hat gewonnen und das ganze Haus veganisiert. Danach hat sie die Bewegungen „Total Liberation Israel“ und „Glass Walls Israel“ gegründet. Sie hat auch ein Dokumentationsprojekt gegründet. Es gibt weltweit keines, dass so viele Bilder und Videos von Farmen gemacht hat. Fast 10 Jahre lang ist sie mit Freunden an jedem Wochenende in solchen Farmen gegangen, immer an einem Samstag, da ist Ruhetag. Tal Gilboa hat auch ein Video von einem Schlachthof in Haifa veröffentlicht, indem ein Eritreer heimlich Video-Aufnahmen gemacht hat. Danach hat sie jeden Promi in Israel angeschrieben und gesagt, dass Sie den Film sehen sollen und sie sie dabei filmen möchte. Denn der Effekt, wenn ein nicht-veganer „Held“ das sieht und anfängt zu weinen, ist groß. Einer dieser Promis war Yair Netanjahu, der Sohn des Präsidenten. Er hat in Israel mehr Follower auf Instagram, als jeder andere. Er hat ja gesagt, die meisten haben abgelehnt. Seitdem isst er keine Tiere mehr. So ist die Tür zur Familie Netanjahu aufgegangen. Sie ist inzwischen Beraterin des Präsidenten für Tierrechtsfragen. Sie hat das Thema zum Mainstream gemacht.

Was können Gesellschaft und Politik in Deutschland von Israel lernen?

Ich denke, Israel hat einfach Glück gehabt, das diese Frau vegan geworden ist. Es braucht manchmal einfach die richtige Person und die richtige Zeit, um etwas zu ändern. Tal Gilboa ist sehr direkt. Sie sagt, was viele Leute nicht hören wollen. Wenn wir jemand hätten, der so charismatisch und klug ist, der alles für die Tiere tut, wäre das fantastisch.

Du planst gerade eine Aufklärungskampagne mit Werbeplakaten auf Straßenbahnen, so wie es das auch in Israel und Großbritannien schon gab. Kannst Du darüber schon etwas sagen?

Vorbild ist eine Hühner-Kampagne, die ich in Israel unterstützt habe. Das Plakat hing an einem Hochhaus, dass vielleicht halb so groß ist wie das Gebäude der Deutschen Bank. Millionen Menschen fahren da täglich vorbei. Man hat schreckliche Bilder gesehen, wie es die Zensur gerade noch erlaubt. Dabei standen nur wenige Sätze wie „schlecht für die Tiere, Umwelt und die Gesundheit“. So ähnlich will ich es auch hier machen. Ich plane jetzt gerade, weiß aber noch nicht genau, in welcher Form ich das machen will. Ob auf der Straßenbahn oder auf Postern, wie sie zum Beispiel Zirkusse aufhängen.

Du bist schon selbst in Israel in Tierfabriken gewesen. Was hast Du dort erlebt?

Es war sehr traurig, sehr schwer. Aber ich habe es keine Sekunde bereut. Ich gehe immer wieder hin. Viele sagen mir auch, mach das nicht mit deinen Kindern. Aber ich zwinge sie nicht. Ich sage nur Bescheid, dass ich gehe. Sie können auch mit der Oma an den Strand gehen. Aber sie wollen immer mit mir gehen. Wir gehen ja nicht in Schlachthäuser, sondern auf Hühner- und Kuhfarmen. Von weitem denkt man, dort sei alles okay. Aber es ist nicht okay. Es macht mich immer sehr traurig, wenn ich dort bin. Man weint viel, weil man sich so hilflos fühlt und nicht weiß, was man machen kann. Das ist ein Albtraum. Aber es ist Realität. So viele kranke Tiere, das kann man nicht beschreiben. Das muss man live sehen, das kann ein Film wie „Earthlings“ so nicht transportieren. Die Gerüche, der Blick der Tiere, das ist sehr schlimm.

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Du bist Teil des Projekts „Gastronomy Masterclass“. Welche Rolle spielst Du dabei?

Die Idee kommt von Sebastian Copien und Thomas Rohlfing. Wir machen gemeinsam mit Matthias Trupp ein Online-Seminar, indem ich meine Erfahrungen einbringe. Wir empfehlen da gar nicht, einen kompletten Umstieg auf 100 Prozent vegan zu machen. Wer sein Restaurant von heute auf morgen veganisiert, geht pleite. Das kann nur jemand, der selbst vegan lebt. Wir wollen, dass ein nicht-veganes Restaurant mehrere vegane Gerichte anbietet. Wir wollen sie überzeugen, dass sie damit mehr Umsatz machen. Denn die meisten Veganer gehen auch in nicht-vegane Restaurants, wenn es ein gutes veganes Angebot gibt. Nach und nach können Gastronomen dann immer mehr vegane Speisen einführen, bis sie irgendwann komplett vegan sind. Wir machen 10 kurze Filme, die 10 Minuten dauern, und in jedem Film erkläre ich einen Schritt, den ich selbst gemacht habe. Für mich war der Umstieg sehr schwer. Aber weil ich es aus ethischen Gründen gemacht habe, habe ich nicht gezögert. Wir wollen das für einen Nicht-Veganer einfach machen: Wo kauft man die Lebensmittel, wie vermarktet man das, wie kalkuliert man? Was ist vegan, was ist nicht vegan? Das war auch für mich kompliziert, obwohl ich schon ein paar Monate vegan war. Ich dachte, man nimmt einfach Ente, Hähnchen und Schwein heraus, aber das ist noch gar nichts. Fast jedes Produkt, dass ich auf der Karte hatte, hatte einen tierischen Bestandteil. Dabei soll gleichzeitig der Geschmack gleich gut bleiben und die Kosten nicht höher werden. Das war anfangs schwer, aber wenn man umgestellt hat, ist es leicht. Heute ist es sehr einfach, jetzt weiß ich genau, worauf ich achten muss.

Was ist der größte Fehler, den man als veganer Gastronom machen kann?

Ob vegan oder nicht vegan – ich würde niemandem empfehlen, ein Restaurant zu eröffnen, der nicht aus der Gastronomie kommt. Es gibt so viele kleine Faktoren, die stimmen müssen. Viele Läden machen zu, selbst große Ketten. Aber wenn du schon Gastronom bist, macht es keinen Unterschied. Ich würde sogar im Nachhinein sagen, dass ein veganes Restaurant einfacher ist. Es ist fast alles gleich, ob Buchhaltung, Marketing, Personal, Küche, Sauberkeit. Auch die meisten Speisen kann man leicht vegan machen. Wenn man schon Gastronom ist, braucht man einfach nur gute, geile, leckere Rezepte.

Wie verkauft man „vegan“ als Gastronom? Sollte man sein Restaurant „vegan“ labeln?

Auf keinen Fall. Wenn man ein nicht-veganes Restaurant hat, sollte man überall ganz groß schreiben, dass man auch veganes Essen anbietet. Wenn man aber ein rein veganes Restaurant hat, muss man das gar nicht schreiben. Wenn ein Steakhouse einen veganen Burger anbietet, würde das ein Fleischesser nicht mitbekommen, und er würde es leider auch nicht essen. Falls er es mitbekommen hat, würde es ihn auch nicht stören – Hauptsache er bekommt sein Steak. Wenn dieser Fleischesser aber an einem veganen Restaurant vorbeikommt, wo überall „vegan“ steht, kann es sehr gut sein, dass er weiterläuft und nicht reingeht. Auf der Speisekarte steht das, aber es fällt nicht jedem auf. Wenn die Gäste erst einmal im Restaurant und zufrieden mit Essen, Service und Preis sind, dann kann man das erwähnen. Das Wort „vegan“ ist für viele immer noch ein Tabu. Die Leute wollen für ihr Geld was gutes Essen. Von Veganern glauben sie, dass sie aus ethischen oder gesundheitlichen Gründen vegan sind, und sich dafür opfern. Das will der Fleischesser aber nicht. Die Leute müssen erst lernen, dass vegan sowohl sehr gut als auch sehr schlecht sein kann, genauso wie Fleisch, wenn es allein um den Geschmack geht. Vegan ist kein geschmacklicher Kompromiss.

Du sprichst viel mit Deinen Gästen. Was erzählst Du und wie sind die Reaktionen?

Ich liebe das. Manchmal sagen mir meine Mitarbeiter Bescheid, wenn Gäste nicht glauben, dass das kein Fleisch ist, was sie da essen. Wenn sie dann fragen, ob das wirklich vegetarisch sei, flüstere ich ganz leise, dass das sogar vegan ist (lacht). Ob Fleisch oder Pflanzen, es kommt auf die Gewürze und die Zubereitung an. Deshalb sage ich den Leuten immer, den Menschen schmeckt kein rohes Fleisch, auch Tartar und Carpaccio ist nicht roh. Wir mögen nur gewürztes Fleisch, zubereitet. Mit Eiern oder Milch ist es dasselbe. Viele Pflanzen hingegen kann man gut roh essen. Wenn ich dann ein Gericht habe, dass schlecht für die Umwelt und die eigene Gesundheit ist und wofür ein Tier sterben musste, warum soll ich das noch essen, wenn ich auch was anderes leckeres aus Pflanzen essen kann?! Jeder, dem ich das erzähle, guckt mich an und sagt, dass er nie so darüber nachgedacht hat.

Das Umsatz-Plus im „Zeil Kitchen“ haben wir den veganen Aktivisten zu verdanken.

Hat es Dir für Dein Business geholfen, dass du im Aktivismus so gut vernetzt bist?

Auf jeden Fall. Es gibt zwar nur ein- bis zwei Prozent Veganer, sodass ein Laden allein von diesem Publikum nicht leben kann. Die meisten meiner Gäste sind immer noch Nicht-Veganer. Das ist auch sehr gut. Aber ins Zeil Kitchen kommen deutlich mehr als ein- oder zwei Prozent Veganer. In beiden Läden sind es mehr als zehn Prozent. Ein Großteil von ihnen sind Aktivisten. Am Zeil Kitchen kann man das auch am Umsatz sehen: Dort haben wir seit der Umstellung Anfang 2019 mehr Umsatz gemacht, als die beiden Jahre zuvor. Und das durch die Aktivisten. Durch deren Unterstützung. Denn einen kleinen Anteil an Gästen haben wir nun einmal doch verloren, weil wir vegan geworden ist. Das Umsatz-Plus haben wir den veganen Aktivisten zu verdanken.

Im Zeil Kitchen finden öfter Vorträge von bekannten Veganern wie Niko Rittenau, Earthling Ed oder das Dinner mit Timo Franke statt. Wird es davon in Zukunft mehr geben?

Ja. Ich plane etwas mit Thomas Glässing im Januar. Und auch Vorträge wie mit Earthling Ed wird es wieder geben. Ich habe einen Kontakt zu That Vegan Couple. Sowohl im Bereich Aktivismus als auch im Bereich Kulinarik wird es weitere Veranstaltungen geben.

Welche Pläne hast Du für 2020? Wird es ein weiteres Restaurant in Frankfurt geben?

Ja. Wir arbeiten an einem Fastfood-Konzept. Das „Kuli Alma“ und vor allem das „Zeil Kitchen“ kann man nicht duplizieren. Da bräuchte man noch so eine gut frequentierte Einkaufsmeile. Ein zweites „Kuli Alma“ würde vielleicht super laufen. Aber da bräuchte ich mehr Leute, die so ticken wie ich. Ich bin jeden Tag hier – den ganzen Tag. Das macht mir auch sehr viel Spaß. Ich rede viel mit meinen Gästen. Das kann ich aber nicht in zwei oder drei Läden machen. Deshalb will ich mehr kleinere Läden mit einem einfachen Konzept. Wir fangen mit einem Laden an und wenn es gut läuft, optimieren wir das und machen weitere Läden auf. Es wird keinen Service sondern Selbstbedienung geben, so wie beim „Zeil Express“ (Imbiss am „Zeil Kitchen“), nur ein bisschen größer – ähnlich wie in der „Hummus Küch“. Dabei geht es darum, maximal viele Menschen zu erreichen, nicht, um den Umsatz zu maximieren. Wenn ich die Preise erhöhe und deshalb weniger Gäste habe, ist das nicht gut für die Tiere. Natürlich brauchen wir auch vegane Schickimicki-Restaurants, aber ich will mehr in die Masse gehen, um maximal viele Menschen zu erreichen. Deshalb gibt es auch gerade das Angebot im „Zeil Express“, zwei Essen zum Preis von einem zu kaufen. Ich verkaufe damit mehr Essen und mache den gleichen Umsatz. Aber damit erreicht man mehr Leute. Jetzt ist die Zeit, um die Leute davon zu überzeugen, dass vegan lecker schmeckt. Ich hoffe, dass wir 2020 schon einen Laden eröffnen können. Wir arbeiten noch am Konzept, ich schaue aber auch schon parallel nach Läden. Wenn ich morgen einen geilen Laden bekomme, machen wir das Konzept eben schneller fertig. Professionell und ohne Stress sollten wir aber lieber noch ein paar Monate warten.

Die Zukunft ist vegan, weil …

… wir keine andere Möglichkeit haben. Ich selbst würde sagen, dass alles andere moralisch nicht vertretbar ist. Aber der Grund, warum die Zukunft vegan sein wird, ist aus Umweltgründen. Leider.

Hier geht’s zum exklusiven Hummus-Rezept aus dem „Kuli Alma“.

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„Äußerlich bin ich ein Undercover-Veganer“

Da will ich nichtsahnend im Urlaub in Tirol ins Hotel einchecken – und wer kommt da aus der Tür hinter der Rezeption heraus? Timo Franke! Dass ich im „LechLife“ in Sachen vegane Küche gut aufgehoben sein werde, daran habe ich bis dahin nicht gezweifelt. Aber das ich in solch gute kulinarische Hände geraten bin, hätte ich natürlich nicht gedacht. Warum es bei dem heute 32-Jährigen gesundheitliche Gründe waren, die ihn dazu bewogen haben, vegan zu werden und wohin ihn sein beruflicher Weg bisher schon führte, erzählt der Schwarzwälder im folgenden Interview.

Im „LechLife“ wird neben veganen Gerichten auch Fleisch serviert. Wie gehst Du damit um?

Es ist eine große Umstellung gewesen, mich daran wider zu gewöhnen. Ich separiere das aber sehr klar. Es gibt zwei weitere Köche, die die Fleischgerichte zubereiten und ich bin für die veganen Speisen zuständig.

Du selbst kommst also mit den tierlichen Lebensmitteln gar nicht in Berührung?

Nein. Gott sei Dank nicht.

Die meisten jungen Menschen werden aus ethischen Gründen vegan, bei Dir war es die Gesundheit. Du sagst selbst, die vegane Ernährung hat Dein Leben gerettet. Wie ist es dazu gekommen?

Ich habe im Dezember 2011 ein Gewicht von 160 Kilogramm erreicht, hatte einen Herz-Kreislauf-Stillstand und musste reanimiert werden. Der Veganismus hat mir ein neues Leben geschenkt. Ich habe dadurch 70 Kilo verloren, 20 bis 25 Kilo sollen noch folgen. Damals waren das ganz klar gesundheitliche Gründe, inzwischen sind es aber auch ethische.

Was hat sich gesundheitlich neben dem Gewichtsverlust verbessert?

Es ist alles besser geworden. Ob es die Haare, die Haut, die Zähne, die Fingernägel oder der Körpergeruch sind. Ein unwahrscheinlich schöner Aspekt ist, dass man sich in einem Kreis von positiven Menschen befindet, die alle sehr lebensbejahend sind. Das habe ich mit omnivoren Menschen so nie erlebt. Die vegane Welt ist schon eine ganz besondere.

Du hast vorher sehr viel Fleisch gegessen. Wie ist Dir die Umstellung gelungen?

Ja, das stimmt. Alles unter 400 Gramm war für mich Carpaccio. Das war erstmal krass. Ich wusste halt, ich muss meine Ernährung umstellen sonst habe ich keine andere Chance und werde das 30. Lebensjahr wahrscheinblich nicht erreichen. Dadurch war es wiederum leicht. Gott sei Dank kamen zu der Zeit, als ich vegan wurde, viele tolle Bücher auf den Markt. Das war der erste wahrnehmbare Vegan-Boom. Da habe ich mir viel Inspiration geholt.

Gab es Dinge, die du anfangs vermisst hast?

Wie das halt als Koch so ist nimmt man sich mal im Vorbeilaufen etwas vom Wurstsalat aus der Schüssel, die gerade da rumsteht und probiert überall mal. Das schwerste an der Umstellung war, den Löffel nicht mehr überall reinzuhalten. Privat war das im Vergleich relativ easy.

Veganer waren in meinen Augen absolute Freaks.

 „Zum perfekten Dinner muss kein Fleisch gehören“ hast Du einmal gesagt. Hattest Du Vorurteile gegenüber rein pflanzlicher Ernährung, bevor Du selbst vegan wurdest?

Absolut. Ich dachte damals, dass Veganer komische Menschen sind. Natürlich auch aufgrund der Extrawünsche, die Veganer aus Sicht eines Kochs haben. Das waren sehr suspekte Gestalten für mich. Damals gab es auch noch sehr viele Klischee-Veganer, denen man das Spinnertum direkt angesehen hat: Die klassischen Müsli-Jochens und Birkenstock-Birgits. Das waren in meinen Augen absolute Freaks. Mittlerweile kann ich sie total gut verstehen und bin im Herzen auch ein Müsli-Jochen, man sieht es mir nur noch nicht an. Äußerlich bin ich ein Undercover-Veganer.

Wann kam die Ethik ins Spiel und die Entscheidung, auch beruflich nicht mehr mit tierlichen Produkten arbeiten zu wollen?

Das kam sehr schnell. Ich hatte nach dem Krankenhaus-Aufenthalt relativ schnell „Earthlings“ gesehen und war schockiert, was in dieser Welt vor sich geht und bin noch schockierter darüber, dass sich seither so wenig geändert hat. Es sind immer noch die gleichen Bedingungen und die gleichen Missstände in der Landwirtschaft. Das ist mittlerweile acht oder neun Jahre her und die Politik hat immer noch nichts unternommen.

Du bist bereits seit mehreren Jahren vegan. Siehst Du – so wie viele Neu-Veganer – aktuell auch einen starken Aufwärts-Trend der Bewegung?

Ich glaube, ja. Vor ein paar Jahren war es ja tatsächlich so, dass Attila Hildmann durch seine „Vegan for fit“-30-Tages-Challange unglaublich viele Menschen vegan gemacht hat. Er hat unglaublich polarisiert und für ein mediales Aufsehen gesorgt, das nicht immer positiv war. Da gab es einen unglaublichen Boom, auch was die Restaurant-Auswahl angeht. Zuletzt ist das stagniert. Aktuell habe ich das Gefühl, dass gerade auch durch die „Fridays for future“-Bewegung sehr viele junge Menschen umdenken. Tolle neue Produkte wie der „Beyond Meat“-Burger tragen auch ihren Teil dazu bei.

Durch solche Produkte wird es den Menschen einfacher gemacht?

Ja, genau. Als ich vegan wurde, war die Beschaffungskriminalität noch relativ groß. In den 90er-Jahren waren Sojaprodukte noch illegal. Da hat man den Tofu nur unter der Ladentheke gekauft. Heute bekommt man in jedem Supermarkt vegane Produkte. Jede Pommesbude hat eine vegane Alternative. Das ist unglaublich flächendeckend, kann und darf aber auch noch besser werden.

Beim „Animal Rights March“ war ich zu Tränen gerührt.

Du warst im August beim „Animal Rights March“ in Berlin mit dabei. Wie wichtig ist es Dir, die vegane Botschaft in die Öffentlichkeit zu tragen?

Das ist unglaublich wichtig. Ich merke immer mehr, dass ich für viele Menschen ein Vorbild bin und das nehme ich auch unwahrscheinlich ernst. Dadurch bin ich auch reflektierter. Manchmal bin ich ein bisschen traurig, dass ich nicht mehr Aktivismus machen kann. Dann wird mir aber auch von anderen Veganern gesagt, dass vegan Kochen auch eine Form des Aktivismus ist. Beim „Animal Rights March“ war ich zu Tränen gerührt. Ich musste permanent damit kämpfen, nicht loszuheulen, weil ich unendlich dankbar und voller Freude war, dass da 5600 Menschen für die Tiere auf die Straße gehen.

Von 2014 bis 2017 hast Du in Bühl das Restaurant „vegan cuisine“ geführt. Woran ist das Projekt gescheitert?

Wir haben gar keine großen Probleme gehabt, die Plätze im Restaurant voll zu bekommen. Es ist generell schwer, in der Gastronomie wirklich Geld zu verdienen. Aber ich hatte Probleme mit meinem Geschäftspartner. Dadurch sind finanzielle Lücken entstanden, die ich trotz vieler Auswärtstermine wie Messen, Showkochen und Caterings nicht mehr reinholen konnte. Deshalb musste ich mein Baby aufgeben. Das ist relativ schade und das ist auch ein Thema, dass mich immer noch sehr berührt. Ich hoffe, dass sich die Menschen, die mit dem Gedanken spielen, in die vegane Gastronomie zu gehen, nicht davon entmutigen lassen. Ich bin mir sicher, dass jetzt der Zeitpunkt ist, wo so etwas definitiv erfolgreich sein kann. Aber man muss eben auch ein gewisses Know-How mitbringen. Wer eine Idee hat, ob Bistro, Café oder Restaurant, kann sich gerne bei mir melden. Ich gebe gerne Tipps, um Fehler zu vermeiden.

Würdest Du gerne irgendwann wieder ein eigenes Restaurant eröffnen?

Wenn sich die Gelegenheit ergibt, würde ich auf jeden Fall wieder ein Restaurant eröffnen. Wo und wie das aussehen würde, weiß ich aber noch nicht. Der Gedanke ist noch weit entfernt.

Wie sehen Deine Pläne für die Zukunft aus?

Ich bin gerade ein bisschen planlos, weil es mir im „LechLife“ sehr gut gefällt. Die Bedingungen sind gut, mir gefällt die Gegend. Aktuell bin ich an zwei Kochbüchern dran, an denen ich mitwirke und an einem eigenen. Und im November plane ich eine kleine Deutschland-Tour durch Frankfurt, Berlin, Stuttgart und Augsburg. In Restaurants und kleineren veganen Läden koche ich mehrgängige Menüs, die jahreszeitlich angepasst sind. Berlin wird ein größeres Event werden.

Wer die kulinarischen Künste von Timo Franke einmal am eigenen Gaumen erleben möchte, muss nicht auf den nächsten Urlaub hinfiebern. Für Vegan ist Zukunft hat der Koch sein Portobello-Burger-Rezept zum nachkochen zur Verfügung gestellt 🙂

Foto: Timo Franke

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