Tierschutzpartei

Was können Veganer:innen wählen?

Veganismus ist Klimaschutz. Dieses Motto gilt ganz besonders für die Bundestagswahl am 26. September 2021. Die für die künftige Regierung infrage kommenden Parteien werden Deutschland wohl nicht von heute auf morgen zu einem veganen Staat transformieren. Dennoch wird die neue Regierung wichtige Weichen in Sachen Klimawende stellen – ob im positiven oder im negativen Sinne (indem sie nichts tun). Mit AfD, CDU und FDP fährt der Zukunftszug definitiv in die falsche Richtung. Denn die AfD leugnet immer noch den Klimawandel und CDU und FDP wollen, dass die Wirtschaft das selbst regelt. Würde diese nach dem Gemeinwohl-Prinzip handeln, statt den Fokus auf Wachstum und Gewinne zu legen, würde das vielleicht auch klappen. Aber das ist und bleibt vorläufig eine Fantasie-Vorstellung. Im Folgenden wird sich deshalb auf Grüne, Linke und SPD sowie fünf Kleinparteien fokussiert, die aufgrund ihres Wahlprogramms für Veganer*innen interessant sind.

Doch sind die etablierten Parteien denn überhaupt wählbar? Keine Frage – sind Parteien mit hoch gesteckten Zielen erstmal in der Regierung, müssen sie Kompromisse eingehen. Mit dem Koalitionspartner, der Wirtschaft, und nicht zuletzt mit der Gesamtbevölkerung – denn schließlich wollen sie ja wiedergewählt werden. Doch so erginge es vermutlich auch den Kleinparteien, würden sie es in die Regierung schaffen. Ganz nüchtern betrachtet macht es deshalb trotzdem Sinn, eine der etablierten Parteien zu wählen, denn sie haben die besten Chancen, zu regieren. Das gilt besonders für die Erststimme, mit der der oder die Direktkandidat:in gewählt wird. Wer auf dem Land wohnt, hat meist sowieso nur die Auswahl zwischen Kandidat:innen der großen Parteien. Aber auch in der Stadt lohnt es sich meist nicht, eine:n Kandidat:in einer Kleinpartei zu wählen. Bei der Zweitstimme macht das hingegen schon mehr Sinn.

Ist die Lösung grün?

Die Partei, die wohl dem Großteil der Veganer:innen als erstes in den Sinn kommt, sind die Grünen. Die Partei hat vor der Ära Merkel bereits auf Bundesebene Regierungserfahrung gesammelt und ist aktuell in elf Landtagen an der Regierung, darunter Hessen und Baden-Württemberg. Dabei wurden bereits viele Kompromisse gemacht, was viele Grünen-Wähler:innen enttäuscht hat. Dennoch: Mit den Grünen würde die Partei mit den mitunter ehrgeizigsten Klimazielen an der Macht sein. Die Partei plant ein Klimaschutz-Sofortprogramm, was unter anderem Hindernisse beim Ausbau erneuerbarer Energien beseitigen soll. Außerdem wollen sie ein Klimaschutzministerium schaffen, welches alle Gesetze blockieren kann, die nicht mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar sind. Bis 2035 soll Deutschland vollständig auf erneuerbare Energien umgestiegen sein. Der Kohleausstieg soll auf 2030 vorgezogen werden. Der CO2-Preis, der aktuell bei 25 Euro liegt, soll schon 2023 auf 60 Euro pro Tonne erhöht werden. Die Einnahmen daraus wollen die Grünen als Energiegeld pro Kopf an die Menschen zurückgeben. Der öffentliche Nahverkehr soll ausgebaut werden, und bis 2030 sollen mindestens 15 Millionen E-Autos auf den Straßen sein. Auf Autobahnen soll es ein Sicherheitstempo von 130 km/h geben. Die Grünen wollen Kurzstreckenflüge bis 2030 überflüssig machen, indem Bahnangebote ausgeweitet werden.

Etwas konkreter in Sachen Flugverkehr werden die Linken: Kurzstreckenflüge unter 500 Kilometer will die Partei verbieten. Klimaneutralität soll ebenfalls bis 2030 erreicht werden, ebenso der Kohleausstieg. Große Energiekonzerne sollen vergesellschaftet und Strom- und Wärmenetze in die öffentliche Hand überführt werden. Die Linke fordert einen sozial gerechten Klimaschutz und will deshalb eine bezahlbare Energieversorgung und Mobilität für alle. Der ÖPNV soll ausgebaut und schrittweise kostenlos werden. Auf Autobahnen soll es ein Tempolimit von 120 km/h geben. Die Linkspartei unterstützt das Aus für Verbrennungsmotoren bis spätestens 2030. Elektromobilität soll jedoch nur im Bereich des öffentlichen Verkehrs gefördert werden.

Auch die SPD will ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen. Die Partei will Deutschland jedoch erst bis 2045 klimaneutral machen und orientiert sich am bereits von der aktuellen Regierung beschlossenen Klimaschutzgesetz. Beim CO2-Preis sollen Menschen mit niedrigem Einkommen verschont werden. Im Gebäudesektor soll dieser von den Vermieter:innen getragen werden. Bahnfahren soll innereuropäisch günstiger und attraktiver als Fliegen sein. Bis 2030 sollen mindestens 15 Millionen Pkw in Deutschland voll elektrisch fahren.

5-Prozent-Hürde als Hinderniss

Von Tierschutz oder gar einem Schritt hin zu pflanzlicher Ernährung spricht keine der etablierten Parteien. Wer sein Kreuz im Namen des Tierschutzes setzen will, ist bei Kleinparteien besser aufgehoben. Dabei sollte jedoch beachtet werden, dass diese die 5-Prozent-Hürde erreichen oder mindestens drei Direktmandate erzielen müssen, um in den Bundestag einzuziehen. Dennoch können Wählerstimmen für Kleinparteien in der Summe bares Geld wert sein: Wer bei der Bundestagswahl mindestens 0,5 Prozent der Stimmen erhält, bekommt pro gültiger Stimme 83 Cent. Ab vier Millionen Stimmen gibt es einen Euro.

Die Tierschutzpartei, quasi die Mutter aller Parteien, die sich Tierschutz auf die Fahne schrieben, will dem Klimaschutz einen eigenen Artikel im Grundgesetz widmen. Die Partei fordert außerdem einen CO2-Einstiegspreis von 180 Euro pro Tonne und will eine sofortige Einführung einer Innenstadtmaut, gleichzeitig soll der ÖPNV massiv ausgebaut werden. Der innerdeutsche Flugverkehr soll abgeschafft werden und ein Tempolimit auf Autobahnen von 130 km/h eingeführt werden. Nachhaltige und menschenleid-/tierleidfreie Produkte sollen gefördert werden. Die Tierschutzpartei fordert außerdem einen gezielten Rückbau der Intensivtierhaltung mit dem Ziel der kurzfristigen Abschaffung der Tierfabriken und einer drastischen Reduzierung der Bestandsdichte in der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Außerdem strebt die Partei einen eigenen Tierschutzartikel an, der die kommerzielle wie private Ausbeutung und Benutzung jedes Tieres abschaffen soll. Sie fordern außerdem die Schaffung eines „Ministeriums für Tierschutz und Tierrechte“.

Bei der V-Partei steht das Thema Veganismus im Vordergrund. Sie will den Tier-, Klima- und Verbraucherschutz verbessern. Die Partei will eine Landwirtschaft ohne Tierproduktion, ohne tierleidfördernde Genmanipulation, ohne genveränderte pflanzliche Lebensmittel und frei von schädlichen Stoffen erreichen. Tiere sollen nicht als „Sachen“ behandelt werden, sie sollen stattdessen staatlich geschützt werden.

Mit pflanzenkohlehaltigem Kompost will die ÖDP (Ökologisch-Demokratische Partei) Ackerböden anreichern, um CO2 aus der Atmosphäre zu entziehen. Gemeinschaftliche Nutzung, Verleih und Tausch sollen aus ökologischen Gründen gefördert werden. Bis 2030 soll Deutschland komplett durch erneuerbare Energien versorgt werden. Außerdem soll der Siedlungs- und Verkehrsflächenverbrauch stufenweise reduziert werden. Die Partei fordert eine ökologische Landwirtschaft mit niedrigen Tierbeständen. Die ÖDP hat erkannt, dass Tiere Schmerz, Angst und Stress empfinden. Sie sollen deshalb nicht zur reinen Ware degradiert werden. Des Weiteren ist sie für ein Verbot artwidriger und qualvoller Veranstaltungen mit Tieren und der Haltung von Wildtieren im Zirkus.

Die Tierschutzallianz, ein Ableger der Tierschutzpartei, fordert unter anderem eine Abkehr von der Massentierhaltung, eine Forschung ohne Tierversuche und ein Verbot von Tierdressuren. Außerdem sollen Rasselisten für Hunde sowie die Hundesteuer abgeschafft werden.

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„Wir benötigen Tierrechte“

Wer sich ehrlich politisch engagiert, hat Missstände in der Gesellschaft erkannt, die behoben werden müssen. Aída Spiegeler Castañeda (Foto: Sonya Martin) ist eine von ihnen. Die 24-Jährige kandidiert in Mannheim bei der Kommunalwahl für die Tierschutzpartei. Darüber hinaus verkörpert die Jura-Studentin ihre politischen Ideale: Sie lebt nicht nur vegan, sondern geht auch für die Rechte von Tieren auf die Straße. Im Interview spricht Aída über die Europawahl und darüber, was Kleinparteien bewegen können.

Alle Macht den Großen: Was glaubst Du, kann eine Kleinpartei politisch bewegen?

Viele Themen werden von den Großen Parteien nicht thematisiert, da diese um ihre Wähler fürchten. Diese Bedenken blockieren uns nicht. Wir haben die Aufgabe, die Menschen auch über Problematiken zu informieren, die von den anderen totgeschwiegen werden. Zudem geben wir den Wählern die Möglichkeit der Regierung zu zeigen, dass ihnen diese Themen nicht gleichgültig sind.

Die Tierschutzpartei ist die weltweit erste ihrer Art gewesen. Inzwischen gibt es in Deutschland einige weitere Parteien, deren Kernthema der Tierschutz ist. Wie bewertest Du diese Entwicklung?

Ich denke, diese Entwicklung hängt stark von der zunehmenden Aufmerksamkeit zu Themen wie der Klimaentwicklung und dem starken Fleischkonsum zusammen.

Gibt es einen Austausch mit Parteien wie der „V-Partei³“, „Tierschutz Hier“, „Tierschutzallianz“ und „Partei für die Tiere“  und wenn ja, in welcher Form?

Die Parteien „Tierschutz Hier“, die „Tierschutzallianz“ und die „Partei für die Tiere“ bestehen derzeit jeweils nur aus ein paar Dutzend Menschen, die sich leider wegen persönlicher Differenzen von der Tierschutzpartei abgespalten haben. Diese drei Parteien wollen aus diesen Gründen leider keinen Austausch mit uns.
Mit der „V-Partei³“ ist jedoch ein konstruktiver Austausch möglich, der sich auch beispielsweise daran zeigt, dass sie zur Wahl des Europäischen Parlaments eine Wahlempfehlung für uns ausgesprochen haben.

Du bist gerade einmal 24 Jahre alt, studierst noch und kandidierst für die Tierschutzpartei bei den Kommunalwahlen in Mannheim. Wie gut lässt sich dein politisches Engagement mit Studium und Freizeit vereinbaren?

Aida Spiegeler Castañeda engagiert sich nicht nur in der Politik, sondern auch als Aktivistin für Tiere, unter anderem bei Animal Equality.

Die Entscheidung, politisch aktiv zu werden war für mich eine durchaus weitreichende Entscheidung. Ich für meinen Teil sehe meine Zukunft darin, mich für die einzusetzen und die zu beschützen, die es selbst nicht können. Und das ist auch eigentlich nie anders gewesen. Somit führt alles in die gleiche Richtung. Um gute politische Arbeit leisten zu können, muss ich mich in der Wirtschaft, in der Innen- und Außenpolitik, mit unserem Rechtssystem und unserem Sozialstaat auskennen. Dafür studiere ich.

Wie hoch schätzt Du selbst Deine Chancen bei den Wahlen ein?

Das ist wirklich schwer einzuschätzen. Da wir in Mannheim zum ersten Mal bei den Kommunalwahlen antreten, stehen uns keine Erfahrungswerte zur Verfügung. Jedoch waren bei der letzten Gemeinderatswahl bereits 1,1% ausreichend, um einen Sitz zu bekommen. Aus diesem Grund denke ich, dass wir durchaus die Chance auf ein Mandat haben. Da Herr Parmentier auf Listenplatz 1 kandidiert, hoffe ich auf ein Mandat für ihn.

Bei der Europawahl steht Ihr ebenfalls auf dem Wahlzettel. Was muss sich in Europa am dringlichsten in Sachen Tierschutz ändern?

Die dringlichste Aufgabe sehe ich in der Ahndung von Missachtungen unserer bereits vorhandenen Tierschutzgesetze. Doch auch diese sind bei weitem nicht ausreichend. Wir benötigen unter anderem ein Verbot von Käfig-, Kasten-, und Anbindehaltung, von betäubungslosen Kastrationen und dem Schreddern von Küken.

Ist Tierschutz eine Forderung, die im 21. Jahrhundert Deiner Meinung nach noch weit genug geht?

Um für die Zukunft eine Grundlage zu schaffen benötigen wir neben dem Tierschutz auch Tierrechte.

In eurem Parteiprogramm steht unter anderem, dass ihr euch für eine bio-vegane Landwirtschaft einsetzen wollt. Wie glaubst Du, kann man Landwirte, die von der Fleisch-, Milch- oder Eierproduktion leben, von einem Wechsel dorthin überzeugen?

Volkswirtschaftlich gesehen ist diese Produktion ohnehin nicht rentabel. Denn es müssen unter anderem gleichzeitig Unmengen an Pflanzen angebaut und von den Landwirten bezogen werden, um all die Tiere ernähren zu können. Die Landwirte können dementsprechend nur wegen der staatlichen Subventionen davon leben. Mit der Umverteilung der staatlichen Subventionen können die Landwirte bei der Ausweitung ihres pflanzlichen Anbaus und auch der Umstellung auf die bio-vegane Landwirtschaft unterstützt werden.

Politisches Interesse oder Tierschutzgedanke – was war als erstes da?

So genau lässt sich das zeitlich gar nicht trennen. Vermutlich war es wohl der Tierschutzgedanke, da ich noch nie verstanden habe, wie es sein kann, dass eine Gesellschaft wie die unsere so gefühlslos mit Tieren umgehen kann. Ebenso war auch das Interesse nach dem Wieso, Weshalb, Warum hinter allem da, und der Wunsch mich einzubringen.

Tierschutz und Veganismus – gehört das für Dich unweigerlich zusammen?

Grundsätzlich würde ich sagen, ließe sich auch über eine vegetarische Lebensweise reden. In unserer heutigen Gesellschaft aber definitiv. Denn es ist einfach nicht möglich, tierische Produkte auf den Markt zu bringen, ohne den Tieren zu schaden.

Lebst du selbst vegan und wenn ja, aus welchen Gründen?

Ja, ich lebe vegan. Zum einen ist mir eine gesunde und ausgewogene Ernährung schon seit vielen Jahren sehr wichtig. Zum anderen möchte und kann ich die Industrie tierischer Produkte nicht unterstützen. Das Leben der Tiere besteht hier nur noch aus Leid. Nicht außer Acht zu lassen ist auch der klimapolitische Hintergrund unseres Konsumverhaltens. Besonders die hauptsächlich aus der Viehzucht und stickstoffhaltigen Düngemittel stammenden Treibhausgase Methan und Lachgas haben einen weitaus größeren und schädlicheren Einfluss als CO2.

Ist es Dein Ziel, irgendwann Vollzeit Politik zu betreiben?

Ja, das ist es tatsächlich. Ich studiere aus Überzeugung Jura, da ich an unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat glaube. Und ich möchte mich auch in Zukunft für den Erhalt, die Fortentwicklung und die Verbesserung unserer Strukturen einsetzen.

Wie lange glaubst Du, wird die Massentierhaltung noch geben?

Ich denke, dass es möglich ist, die Massentierhaltung in Deutschland innerhalb von 20 Jahren zu beenden. Dies soll aber keinen Richtwert darstellen. Es liegt an jedem einzelnen von uns, diese Entwicklung zu beschleunigen.

  • Einen Überblick über weitere Kleinparteien, die sich mit den Themen Tierschutz, Tierrechte und Umweltschutz beschäftigen, gibt es hier!
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