Lange war der Frankfurter Rapper und Produzent Moses Pelham Vegetarier. Warum er schließlich vegan wurde, wer ihm dabei geholfen hat und wie er sich sein veganes Diner vorstellt, darüber spricht der Musiker im folgenden Interview.

Du hast mal gesagt, dass die Musik Dir hilft, Dich mit Dir selbst auseinanderzusetzten. War das auch hilfreich auf dem Weg zum Veganer?

Ehrlich gesagt habe ich dafür keinen Beleg. Aber ich halte es für wahrscheinlich, dass diese dauerhafte Auseinandersetzung mit mir selbst auch auf diese Entscheidung einen Einfluss hatte. Was bist du und was willst du sein? Ist das richtig oder falsch? Diese Fragen stelle ich mir im Rahmen meiner Kunst dauernd. Dadurch habe ich mich, glaube ich, insgesamt mehr mit mir selbst beschäftigt, als ich es für normal halte. Ich gehe davon aus, dass das einen Einfluss auf nahezu alles hat, was ich tue. Deshalb glaube ich schon, dass das auch auf meinem Weg zum Veganismus in gewisser Weise hilfreich war. Wie Sir Peter Ustinov sagt: „Alles hat mit allem zu tun.“ Jedenfalls besteht zwischen meiner Tätigkeit als Künstler und Veganismus insofern ein direkter Zusammenhang, als ich im Rahmen eines Drehs für PETA, bei dem es darum ging, warum ich Vegetarier bin, zum ersten Mal mit der Idee des Veganismus konfrontiert wurde.

Als Dir klar war, dass es nicht ausreicht, Vegetarier zu sein – was hast Du da gemacht?

Ich schätze, meine erste Reaktion war die für Vegetarier typische: Wieso soll ich jetzt noch vegan werden, für mich stirbt doch kein Tier. Dass eine Kuh schwanger sein muss, um Milch zu geben, ihr das Kind entrissen und  geschlachtet werden muss, damit ich die – eigentlich dem Kalb zugedachte – Milch bekommen kann, hatte ich nicht auf dem Deckel. Das kann doch alles gar nicht sein, dachte ich. Es war der typische Prozess der „5 Stages of Grief“ (5 Stadien des Verlusts/der Trauer). Ich habe mich mit Händen und Füßen gewehrt und auf verschiedenen Wegen nach Belegen dafür gesucht, dass das Quatsch ist. Klappte natürlich nicht. Ich habe verschiedene Dokus angefangen und viel gelesen. Aber „Earthlings“ zum Beispiel konnte ich nur ungefähr 38 Sekunden ertragen. Ich finde, wer glaubt, er könne nicht auf sein Schnitzel verzichten, sollte sich das unbedingt ansehen, aber ich kann es nicht. Die Kollegen von PETA waren so freundlich und gaben mir die Kontaktdaten von Patrik Baboumian. Der war wirklich unfassbar freundlich und hilfsbereit und schickte mir dann auch sein Buch. So langsam wurde mir dann klar, dass das Ziel, das ich mit Vegetarismus zu erreichen versuchte – nämlich Vermeidung von Ungerechtigkeit und Leid – nur durch Veganismus zu erreichen war. Da musste ein Upgrade her. Das sagte ich auch Patrik Baboumian. Allerdings dauerte es sehr lange, bis ich das Ganze tatsächlich und vollumfänglich umsetzte. Bestimmt anderthalb Jahre. Milch war mir nicht wichtig, aber Käse und Eier. Ich habe lange mit mir gerungen und experimentiert. Letztlich war es ein Jahrhunderte altes Gedicht, das dafür sorgte, dass ich noch am selben Tag, an dem ich es las, vegan wurde:

Begehre nicht das Fleisch geschlachteter Tiere zu essen. Oder die weiße Milch der Mütter, die doch zugedacht ist ihren eigenen Jungen, nicht wohlhabenden Damen. Und betrübe den arglosen Vogel nicht, indem du ihm die Eier nimmst; Denn Ungerechtigkeit ist das schlimmste Verbrechen. (Abū l-ʿAlāʾ al-Maʿarrī)

Interessant, dass es bei Dir als Künstler ein Gedicht war, das dich überzeugt hat…

Ja. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Das Gedicht arbeitet ja nur heraus, was ich ohnehin schon wusste. Aber es half mir. Ich glaube sowieso, dass Kunst grundsätzlich nur etwas aufzeigen kann, das der Rezipient ohnehin schon weiß. Kunst soll uns erinnern, erneut vor Augen führen. Ganz selten kann sie wirklich neue Informationen vermitteln. Zumindest in meiner Erfahrung.

Jetzt zu sagen, alle müssen sich meinem Tempo anpassen, ist eine kindliche Idee.

Viele Veganer fühlen sich einsam und unverstanden, wenn sich in ihrem Umfeld nichts ändert und weiter Fleisch auf den Teller kommt. Geht es Dir auch manchmal so und wie gehst Du damit um?

Ich glaube, bei mir war das anders, weil ich ja als erwachsener Mensch vegan wurde. Diese Sturm-und-Drang-Phase, in der man eine Information erhält und sagt, ich habe jetzt etwas verstanden und das müssen jetzt alle anderen auch machen, hatte ich in diesem Zusammenhang nicht. Ich war schon in einer Phase meines Lebens, in der ich verstand, dass fürchterliche Dinge auf dieser Welt passieren, die ich gerne sofort abstellen würde, andere aber eben andere Prioritäten haben. Was mich aber dennoch nicht davon abhalten sollte, meinen Beitrag dazu zu leisten, weil das der größte Hebel ist, über den ich verfüge. Also dieses Gandhi-Ding: Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir für diese Welt wünscht. Nicht dieses „ich mach das jetzt, damit der Nächste das auch sofort macht“. So gern ich es hätte, dass das in diesem Fall schneller passiert. Bei mir hat es ja selbst lange gedauert, bis ich Vegetarier wurde. Seit ich acht oder neun war, wusste ich, dass es falsch ist, Fleisch zu essen und erst mit 29 ernährte ich mich konsequent vegetarisch. Es hat anderthalb Jahre gedauert, bis ich vegan wurde, obwohl ich wusste, dass es nicht reicht, auf Fleisch zu verzichten, wenn es um Leidvermeidung geht. Jetzt zu sagen, alle müssen sich meinem Tempo anpassen, ist eine kindliche Idee. So schwer diese Einsicht mit Blick auf die Opfer fällt. Die meisten Menschen in meinem Umfeld sind allerdings zumindest Vegetarier.

Hast Du Dir inzwischen ein veganes Netzwerk aufgebaut?

Ja, vielleicht. Darüber habe ich so noch nicht nachgedacht. Ich habe ein paar Menschen in meinem engeren Freundeskreis, die auch Veganer sind. Aber es ist mir auch wichtig, andere Gemeinsamkeiten mit meinen Freunden zu haben. Mittlerweile gibt es einfach unter den Menschen, die ich kenne, viel mehr Veganer, als das noch vor sechs Jahren der Fall war. Und es freut mich, das zu beobachten. Alleine die Geschichte von Nir Rosenfeld finde ich ziemlich beeindruckend. Es ist schon schön, wenn man die Gelegenheit hat, das, was man aufrichtig für richtig hält, in seiner täglichen Arbeit umzusetzen.

Hast Du Kontakt zu anderen Musikern wie zum Beispiel Thomas D oder Berge? Ist da vielleicht eine musikalische Zusammenarbeit angedacht?

Moses Pelham nachdenklich im Profil mit Frankfurt am Main im Hintergrund
Nachdenklich: Der Frankfurter Rapper Moses Pelham. Fotos: Katja Kuhl

Mit dem Rapper Vega, der auch Veganer ist, arbeite ich dauernd zusammen, weil wir einfach rumhängen. Das ist die engste Verbindung, die ich zu einem prominenten Musiker habe, der auch vegan lebt. Einige Menschen, mit denen ich musiziere, sind vegan, allerdings nicht so prominent. Aber man muss sagen, ich habe diese Menschen nicht als Veganer kennengelernt. Das sind alles Leute, die sich sehr für Gerechtigkeit interessieren und deshalb über die Jahre vegan wurden. Mit Thomas D sprach ich vergangenes Jahr über ein Stück, das ich gerne für mein Album gemacht hätte. Das ist dann leider nicht passiert. Aber das ist nur aufgeschoben, nicht aufgehoben.

In der Frankfurter Rundschau hast Du einmal über den Traum eines veganen Diners geschrieben. Wann eröffnest Du denn Dein Restaurant „Mo’s Happy Chicken“?

Das ist derzeit leider nur eine Träumerei. Ich finde die Idee toll, würde es gerne machen, aber es wird nicht passieren, ohne dass ich einen Partner finde, der einen Großteil der Arbeit macht. Das sage ich ganz ehrlich, weil ich jetzt schon nicht dazu komme, die ganzen Dinge zu machen, die ich gerne machen würde. Zudem habe ich von der Gastronomie überhaupt keine Ahnung. Bevor Nir Rosenfeld seine veganen Restaurants hatte, hörte ich von Freunden von ihm und seiner Geschichte und sprach auch mit ihm darüber. Allerdings schwebt mir ein reiner Fast-Food-Laden vor. Je mehr sich da von anderer Seite tut, desto weniger sehe ich die Notwendigkeit, selbst aktiv zu werden. Aber vielleicht liest ja ein Gastronom das Interview und sagt zu mir: „Moses, geile Idee, wollen wir das nicht zusammen machen?!“.

In seinem Podcast hat Dir Tim Mälzer ja das Angebot gemacht, gemeinsam in Frankfurt ein Restaurant zu eröffnen. Aber dann müsstest du wahrscheinlich allein aufgrund der örtlichen Distanz das Alltagsgeschäft übernehmen …

Das zum einen. Und zum anderen ist Tim für das, was ich mir vorstelle, völlig überqualifiziert. Ich war nach der Aufzeichnung des Podcasts mit Tim auch in seinem Restaurant „Bullerei“. Die haben da echt fantastische Sachen gezaubert, allerdings waren für das, was ich mir das vorstelle, die Pommes von allem am interessantesten. Übrigens die besten Pommes meines Lebens. Das, was die da sonst noch machen, ist natürlich auch toll, aber für mich einfach „too much“. Ich stelle mir eine Küche vor, die Zeug macht, wie ich es zuhause mache: Hamburger, Pizza, Pommes, Döner.

Glaubst Du, sein Angebot, mit Dir in Frankfurt ein veganes Restaurant zu eröffnen, war ernst gemeint?

Ich glaube, dass ihm die Idee insgesamt gefällt. Er würde das bestimmt einfach mal probieren. Für mich wäre das aber natürlich allein deshalb schon eine größere Sache, weil es mein erster Laden wäre.

Wie hast Du die Diskussion mit Tim Mälzer empfunden, die sich immer wieder darum drehte, ob die Tierindustrie per se eine gewalttätige ist?

Ich empfand das als ganz angenehm. Mir macht Tim einen sehr offenen Eindruck. Er hat natürlich zu vielem eine Meinung, aber das habe ich ja auch.

Führst Du solche Diskussionen öfter?

Nicht vor dem Mikrofon und nicht in der Intensität. Aber ich finde, wir haben uns ganz gut an die Fakten herangearbeitet und einen gewissen Konsens hergestellt. Zumindest konnten wir uns darauf einigen, dass wir Massentierhaltung falsch finden. Ich denke, wir sind ganz gut vorangekommen. Da gibt es andere Fälle, die mit einer anderen Strategie arbeiten – die leugnen einfach das Problem und wollen deshalb natürlich auch nicht an einer Lösung arbeiten.

Bei Lanz hat Tim Mälzer schon gesagt, dass er sich dumm vorkommt, dass er nicht längst vegan ist. Und auch im Podcast hat er ja durchaus gezeigt, dass er die Thematik versteht. Andererseits vertritt er die Fleischindustrie weiterhin mit seinem Restaurant „Bullerei“ und TV-Sendungen, die sich explizit um Fleisch drehen. Was glaubst Du, wie kann man solche Leute überzeugen, die es im Herzen eigentlich schon verstanden haben?

Ich glaube, dass es bei Tim nicht um Überzeugung, sondern Gelegenheit geht. Grundsätzlich liegt es in meinen Augen an uns, mehr und mehr Möglichkeiten zu schaffen, die es Menschen einfach machen, das Richtige zu tun.

Über seine Social-Media-Kanäle verbreitet Moses Pelham seine „RedLines“. Hin und wieder erhalten diese Gedanken auch vegane Botschaften. Foto: Moses Pelham

Auf deinen Social-Media-Kanälen wirst du für vegane Posts oft von den eigenen Fans angegriffen. Wie gehst Du damit um?

Die „RedLines“ sind nicht dafür da, Veganismus zu popularisieren. Sie werben insgesamt für meine Sichtweise. Das sind Sachen, die ich gesammelt habe, weil sie mir gefallen und weil sie kurze Reflektionen dessen sind, was ich für richtig halte oder weil sie mich zum schmunzeln bringen. Weil es Teil meines Lebens ist, sind da auch Sachen dabei, die sich mit Veganismus beschäftigen. Das teile ich mit den Menschen, die sich für mich interessieren. Dabei stelle ich oft genug fest, dass sich deren Perspektive auf viele Dinge mit meiner deckt. Ist das mal nicht der Fall, ist es ja auch kein Problem. Vielleicht wird die eine oder der andere dadurch auch zum Überdenken der eigenen Gewohnheiten gebracht. Wenn Leute sagen, dass sie aufgrund einer meiner Überzeugungen jetzt meine Musik nicht mehr hören, war es ohnehin ein Missverständnis. Aber ich habe meist positive Reaktionen. Meine Musik selbst wirbt ja letztlich auch für meine Sicht der Dinge.

Gibt es Fans, die durch dich vegan wurden?

Ich denke, dass hier immer verschiedene Kräfte – allen voran das eigene Gerechtigkeitsempfinden –  eine Rolle spielen, aber mir schreiben immer wieder liebe Menschen, dass sie sich in diesem Zusammenhang von mir inspiriert fühlten. Natürlich freut mich das sehr.

Welche Rolle spielt das Thema Veganismus in deiner Biografie, die im November erscheinen soll?

Das Buch „Direkt aus Rödelheim“ trägt den Untertitel „Eine Autobiographie, die gleichzeitig die Geschichte des Musiklabels 3p ist“. Es ist ganz bestimmt kein Buch über Veganismus, aber meine Erfahrungen mit dem Thema kommen natürlich auch zur Sprache: Wie ich Vegetarier wurde, welchen Struggle ich damit hatte, vegan zu werden und wie ich die Argumente für Veganismus widerlegen wollte. Es ist insgesamt ein sehr offenes Buch.

Die Zukunft ist vegan, weil …

… sie so, wie wir uns momentan verhalten, nicht stattfindet. Das hat Bär Läsker mal gesagt. Mir ging es selbst zu Beginn nur um Leidvermeidung. Das Umweltthema hatte ich gar nicht auf dem Schirm. Aber es geht auch immer dringlicher um unser aller Überleben. „The life you save may be your own“, pflegte mein Vater zu sagen. Wenn man dann noch die gesundheitlichen Aspekte des Fleischkonsums bedenkt, geht es auch ganz direkt um unser eigenes Leben, nicht nur um das unserer Nachfahren oder Mitgeschöpfe.

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