Die Auswahl an veganen Lebensmitteln ist inzwischen groß. Längst müssen Veganer nicht mehr jede Zutatenliste checken, denn das Vegan-Label oder ein markeneigener Hinweis stehen klar und deutlich auf der Vorderseite der Verpackung. Wer sich hingegen nicht nur rein pflanzlich ernähren, sondern auch vegan leben will, hat es nicht immer so leicht. Mitunter am schwierigsten ist es, wenn es um Medikamente geht. Überschaubar bleibt es für den, der nur hin und wieder eine Kopfschmerztablette benötigt. Wer jedoch häufiger auf verschreibungspflichtige Arzneimittel angewiesen ist, hat es mitunter schwer. Denn oftmals ist sogar die Kennzeichnung auf der Verpackung nicht eindeutig – und auch Ärzte und Apotheker können nicht ohne weiteres feststellen, ob ein Medikament vegan ist.

Vegan = tierversuchsfrei?

Doch zunächst gilt es zwischen „vegan“ und „tierversuchsfrei“ zu unterscheiden. Denn „vegan“ bedeutet lediglich, dass die Inhaltsstoffe des Medikaments tierfrei sind. Bei der Entwicklung und Zulassung von Arzneimitteln sind Tierversuche vorgeschrieben. Produzenten sichern sich sogar darüber ab: Kommt es zu Zwischenfällen oder unerwünschten Nebenwirkungen, ist der Hersteller nämlich nicht haftbar, wenn das Medikament vorher an Tieren getestet wurde, schreibt Planet Wissen .

Somit wurden eigentlich alle Wirkstoffe irgendwann einmal an Tieren getestet. Die einzige Möglichkeit für Veganer, Tierversuche zumindest halbwegs zu umgehen, sind Generika. Für diese meist günstigeren Kopien von Markenmedikamenten wurden nicht noch einmal Tierversuche durchgeführt, wie Petazwei ausführt. Die Krux an den Kopien ist jedoch, dass am Ursprungsmedikament immer Tierversuche gemacht wurden. Tierversuchsfreie Generika kann es also auch nur deshalb geben, weil das Original bereits an Tieren getestet wurde. Trotzdem macht der Kauf von Generika so gesehen Sinn, weil dadurch Hersteller nicht unterstützt werden, die ständig neue, an Tieren getestete Medikamente auf den Markt bringen, die eigentlich nicht nötig sind, weil es längst genügend Präparate gibt. Ein Beispiel sind Nasensparays, von denen jährlich neue auf dem Markt kommen und die an Affen getestet werden, wie Richard David Precht in seinem Buch „Tiere denken“ schreibt.

Problemfall Stearinsäure

Doch auch Generika können tierliche Inhaltsstoffe enthalten. Laut der App „whatsin“, die die Inhaltsstoffe von Medikamenten nach persönlichen, voreingestellten Filtern scannt, gibt es mehr als 1.000 verschiedene tierliche Inhaltsstoffe, die in der Arzneimittelproduktion zum Einsatz kommen. Beispiele sind Gelatine, Schellack und Wollwachs (Hilfsstoffe), Lactose, Heparin (Blutverdünner) oder Bienenwachs, welches häufig in Cremes verwendet wird. Diese Stoffe stammen eindeutig vom Tier. Klassische Beispiele für Produkte mit Inhaltsstoffen tierischer Herkunft und dazugehörigen Alternativen listet die Deutsche Apotheker-Zeitung auf.

Kompliziert wird es erst bei Inhaltsstoffen, die sowohl tierischen als auch pflanzlichen oder synthetischen Ursprungs sein können, wie Stearate. Stearinsäure ist laut Europäischem Arzneibuch ein Gemisch aus Fettsäuren, das Fette oder Öle pflanzlicher oder tierischer Herkunft enthält. Das Schlimme daran: In der Inhaltsstoff-Liste muss nicht stehen, ob das Stearat tierischen oder pflanzlichen Ursprungs ist. Laut „whatsin“ bleibt bei mehr als 50.000 Präparaten unklar, ob das verwendete Stearat vegan ist. Und auch die Hersteller wissen darüber nicht immer Bescheid oder wollen keine Auskunft geben.

Was also tun?

  1. Den Arzt von Anfang an darüber informieren, dass ein Medikament ohne tierliche Inhaltsstoffe gewünscht ist und dies ggf. bereits im Fragebogen beim Erstbesuch angeben. In diesem Fall kann der Arzt nach einer Alternative suchen.
  2. Hast du das Rezept in der Hand, kannst du in der App „whatsin“ nach dem Medikament suchen und zusätzlich abklären, ob das Medikament unbedenklich ist, denn Ärzte kennen i.d.R. nur die gängigsten tierlichen Inhaltsstoffe.
  3. Wer selbstständig ein rezeptfreies Medikament oder auch Nahrungsergänzungsmittel kaufen will, kann das gewünschte Präparat ebenfalls vorher in der App checken. Nicht immer ist die Aussage eindeutig, wenn beispielsweise Stearate zum Einsatz kommen. In diesem Fall kannst du ggf. den Hersteller kontaktieren.
  4. Wer bereits ein Rezept hat und beim Arzt nicht explizit nach einem veganen Medikament gefragt hat, kann in der Apotheke nach Alternativen fragen. In diesem Fall darf auf dem Rezept aber nicht „aut idem“ angekreuzt sein (ein Kästchen, meist an der linken Seite unten). Laut „Techniker“-Krankenkasse lautet die Übersetzung „oder das Gleiche“ und bedeutet, dass der Apotheker genau das auf dem Rezept vermerkte Präparat aushändigen muss. Lässt der Arzt das Feld frei, ist der Apotheker sogar verpflichtet, ein kostengünstigeres Medikament mit gleichem Wirkstoff – insofern es das gibt – zu verkaufen.

Umso öfter Ärzte und Apotheker nach veganen Medikamenten gefragt werden und Menschen diese bevorzugen – umso besser. Wenn du jedoch auf Medikamente angewiesen bist, die aus tierlichen Inhaltsstoffen bestehen, solltest du diese natürlich trotzdem nehmen. Denn es nützt niemandem etwas, wenn du deiner Gesundheit schadest – das sieht übrigens u.a. auch Petazwei so!

Dieser Artikel beansprucht nicht die absolute Genauigkeit des Inhalts und stellt keinerlei medizinische Beratung dar. Bitte konsultiere einen Arzt oder Apotheker, wenn du krank bist!

Welche Erfahrungen hast du mit Medikamenten gemacht? Hast du weitere Tipps im Umgang damit?
Dann schreib es in die Kommentare 😊