Seine Bücher zu philosophischen und gesellschaftspolitischen Themen sind Bestseller. Schon in seinem 1997 erschienenen Buch „Noahs Erbe“ befasste sich Richard David Precht (Foto: Amanda Dahms) mit den ethischen Fragen im Verhältnis von Mensch und Tier. 2016 folgte die überarbeitete Version „Tiere denken. Vom Recht der Tiere und den Grenzen des Menschen“. Im Interview spricht der Philosoph und Publizist über die Massentierhaltung.

Ein Großteil der Gesellschaft will einerseits, dass Tiere gut behandelt werden. Andererseits unterstützen sie mit ihrem Konsumverhalten die Massentierhaltung. Wie passt das in Ihren Augen zusammen?

Das passt dadurch zusammen, dass wir in einem formverpackten Schnitzel das Tier nicht mehr sehen. Durch die Abstraktion. Wenn ein Legebatterie-Betreiber den schönen Namen Wiesenhof trägt, dann zeigt das natürlich sein schlechtes Gewissen, aber es zeigt auch, dass diese Art des Kaschierens ziemlich gut funktioniert. 

Ernährung wird oft ähnlich wie Religion als Privatsache angesehen. Warum ist das Ihrer Meinung nach falsch?

Der Einfluss der globalen Tierhaltung auf das Klima ist riesig: Neben der Industrie, den privaten Haushalten und dem Verkehr ist der schlimmste Klimakiller die Tierhaltung. Wenn man dann schaut, wie viel Gülle durch die Rinder- und Schweinehaltung produziert wird, die dann anschließend ins Grundwasser, die Flüsse und die Meere geht, dann kann man sogar sagen, alles in allem genommen ist die Massentierhaltung ökologisch mit das größte Problem unserer Zeit. Dann ist es völlig egal, ob jemandem Fleisch schmeckt oder wie er persönlich damit umgeht. Das ist ein Zustand, den wir für die Zukunft des Planeten nicht erhalten können. Und wenn in Zukunft der Wohlstand weiter steigt, wenn die Chinesen immer mehr Fleisch essen, was sie früher nicht gemacht haben, dann können wir diesen Bedarf mit lebenden Tieren nicht mehr befriedigen, außer, wir verwandeln die ganze Welt in Weidefläche. Und ich glaube, diese Argumente sind recht überzeugend.

Wie lange wird es Ihrer Meinung nach noch dauern, bis die Massentierhaltung abgeschafft ist?

Wenn wir in der Lage sind, Kultur-Fleisch günstiger herzustellen, als Fleisch aus der Massentierhaltung, dann bricht diese Form von Fleischwirtschaft zusammen – und zwar überall auf der Welt. Mit Ausnahme da, wo sie ganz besondere Tiere anbieten, argentinische Weiderinder oder neuseeländische und irische Weideochsen. Das wird es als Spartenprogramm noch geben. Aber die herkömmliche Massentierhaltung wird aus ökonomischen Gründen zusammenbrechen.

Die vegane Bewegung ist also nicht entscheidend?

Genau. Denn In-Vitro-Fleisch ist nicht vegan. Aber dafür müssen Tiere nicht mehr leiden und sterben, und diese Vorstellung finde ich wunderbar. Wenn ich einem Tier eine Zelle aus dem Rücken entnehme, ist das kein großes Leid. Und wenn ich dann diese Zelle in der Petrischale vermehre und tausende Burger herstelle, dann ist das doch großartig. Dann können Sie in Bezug auf vegane Ernährung immer noch über Gesundheit sprechen, aber das ethische Argument ist dann weg. Das wichtigste besteht jetzt nicht darin, dass wir alle Veganer werden, auch wenn das schön wäre. Die wichtigste Aufgabe für die Zukunft wird sein, dass wir gute Alternativen zum Fleisch einführen, die den Fleischmarkt zerstören. 

Bei all den Erkenntnissen, die Sie in Ihrem Buch „Tiere denken“ 2016 bereits zum zweiten Mal vorgestellt haben: Leben Sie selbst vegan?

Nein. Ich selbst lebe nicht vegan. In der Zeit, als ich das erste Buch über das Verhältnis zwischen Mensch und Tier geschrieben habe („Noahs Erbe: Vom Recht der Tiere und den Grenzen des Menschen“, 1997), habe ich meine Ernährung Stück für Stück auf eine rein pflanzliche umgestellt und es ausprobiert. Es ist mir aber ausgesprochen schwer gefallen. Ich halte es aber trotzdem für richtig und gut, vegan zu leben.

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